Abenteuer Steuerrecht
Einstieg ins Steuerrecht bei Baker McKenzie
„Alles gut?“ – „Ja, alles gut!“ So begrüßen sich die Brasilianer. Statt eines Handschlags gibt es einen Wangenkuss zur Begrüßung, sowohl unter Anwälten als auch unter Anwälten und Mandanten. Kurz wird über den furchtbaren Verkehr in São Paulo gelästert, der tatsächlich nervenraubend ist, den letzten Trip nach Ilha Bela berichtet, einer Insel an der Küste des Bundesstaats São Paulo, und es werden Pläne für Olympia ausgetauscht.
Mittendrin statt nur dabei
Seit April 2016 arbeite ich für ein halbes Jahr im Rahmen meines Associate Training Program in São Paulo. Mein Büro befindet sich im 30. Stock der EZ Towers, einer der zahlreichen, kürzlich fertiggestellten Wolkenkratzer aus Glas in São Paulo. Den besten Blick über die Stadt hat man vom Empfangsbereich und den Konferenzräumen im 31. Stock.
Die EZ Towers, einer der gläsernen Wolkenkratzer in in São Paulo. Hier arbeitet Isabell Weaver für ein halbes Jahr.
Viel Zeit zum „aus dem Fenster schauen” habe ich allerdings nicht. Meine Praxisgruppe Compliance ist “muito corrido”, sehr beschäftigt. Wer schon einmal von “Lava Jato/Car Wash” und Petrobras gehört hat, weiß warum. In Brasilien wird zurzeit der größte Korruptionsskandal in der Geschichte Brasiliens aufgeklärt, im Wesentlichen durch Staatsanwälte, Richter und Anwälte von Großkanzleien wie Baker McKenzie. Und ich bin mittendrin. Jeden Morgen lese ich das “Clipping”, um für Mandanten den Überblick über wichtige Compliance Themen zu gewinnen. Denn jeden Tag gibt es neue Festnahmen, neue Plea Agreements, neue Untersuchungen, neue Informationen in dem Korruptionsskandal rund um den staatlichen Ölriesen Petrobras.
Ich berate hauptsächlich deutsche Mandanten, davon gibt es im Bundesstaat São Paulo viele. Laut Deutsch-Brasilianischer Industrie- und Handelskammer gibt es im Bundesstaat São Paulo die meisten niedergelassenen deutschen Unternehmen außerhalb Deutschlands.
Einfach ist am schwersten
Einer meiner täglichen Aufgaben ist Übersetzen: Sprachlich, inhaltlich und kulturell.
Die Rechtsbegriffe und Verfahren im brasilianischen Recht zu erklären, die es so im deutschen Recht nicht gibt, sowie “expectation management”. Der Mandant will es genau wissen, wie lange dauert das Verfahren, was sind die Risiken, was sind die (möglichen) Folgen, was ist zu tun, wieviel kostet das. Der deutsche Mandant möchte – wie jeder Mandant – eine Lösung für sein Problem, verständlich und einfach erklärt – trotz Komplexität des Sachverhalts oder rechtlichen Problems. Das zu leisten, zeichnet den guten Anwalt aus, überall auf der Welt.
Zur Zusammenarbeit und zum Zusammenleben mit den brasilianischen Kollegen: Die Brasilianer mögen die Deutschen – abgesehen vom 7:1 bei der WM 2014 – haben wir einen guten Ruf. Ich hatte es einfach. Ich wurde sehr herzlich begrüßt und schnell mit Arbeit ausgelastet. Die Kollegen schätzen die pragmatische, sorgfältige „deutsche” Art. Wissen zum deutschen und europäischen Datenschutzrecht sowie zu den gesellschaftsrechtlichen Strukturen deutscher Unternehmen ist ebenfalls sehr gefragt. Interessanterweise ist das Büro in São Paulo sehr weiblich. Die "Chefin" unserer Gruppe ist Esther Flesch und von den rund 50 Associates sind es ca. 30 Frauen.
Isabell Weaver (2. von rechts) im Kreise ihrer brasilianischen Kolleginnen
Kontakte zu Freundschaften entwickeln
Ich gehe jeden Tag mit Kollegen Mittagessen und ab und an ein Feierabendbier trinken. Am Wochenende treffen wir uns gerne zum “Churrasco”, das berühmte brasilianische Barbecue. Zwei von Baker McKenzies “Client Service Principles” - “always wear the global hat” und “turn relationships into friendships” - lebe ich hier jeden Tag, ein Privileg des Anwaltsberufs.
Für die eigene Karriere sind Kontakte wertvoll und wichtig, sowohl in der Kanzlei als auch außerhalb. In São Paulo knüpft man schnell wertvolle Kontakte. Es gibt zahlreiche Events im Bereich Compliance, aber auch über die Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer und das Konsulat.
Was muss man als Associate mitbringen, um am Associate Training Program teilzunehmen? Man muss bereits zwei Jahre als Associate in der Kanzlei gearbeitet haben, ein Business Case/Plan muss vorliegen und man sollte möglichst gute Kontakte zu einem Partner im aufnehmenden Büro haben, wobei letzteres nicht zwingend ist. Rund ein halbes Jahr Planungszeit im Voraus sollte man berücksichtigen, denn je nach Zielland gibt es mehr oder weniger Bürokratie zu bewältigen.
Mein Fazit: ATP, das lohnt sich. Arbeiten im Ausland – ich habe bereits 2012 einige Zeit in Washington D.C. gearbeitet – bereichert persönlich und die Karriere. Seine Komfortzone zu verlassen und in ein anderes Land (nicht unbedingt UK und USA) zu gehen, eine neue Sprache, neue Arbeitsweisen zu erlernen, kurz um, sich weiterzuentwickeln, kann ich jedem empfehlen.
Isabel Weaver Gernand is Associate of the Dispute Resolution Group of Baker McKenzie in Munich. She is currently completing her Associate Training Program (ATP) in São Paulo with Trench, Rossi e Watanabe Advogados, a law firm affiliated with Baker McKenzie.
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