BRAK: Erleichterte Haftungsprozesse durch Zusammenspiel mehrerer Fehler?

Neue Probleme mit dem beA

Im beA, dem zentralen Kommunikationssystem der Anwaltschaft, werden Nachrichten nicht Ende zu Ende verschlüsselt übertragen, sondern in wundersamen zwei Stufen: Der Anwalt schickt seinen Schriftsatz verschlüsselt an eine zentrale Stelle, wo ein Hardware-Sicherheits-Modul (HSM), das die Schlüssel aller Anwälte hat, die Nachricht entschlüsselt und für den eigentlichen Empfänger neu verschlüsselt und weiterleitet. 1.000 Geheimnisse sind an 1.000 Orten sicherer, als an 1.000 PLUS EINEM zentralen Ort.

An dieser zentralen Stelle können die Kammern theoretisch alle Schriftsätze mitlesen und auch Dritten zugänglich machen. Wie eine Kamera über jedem Operateur, werden damit Anwaltstätigkeiten live zentral 'mitgefilmt' und womöglich gespeichert (wohl zum Zweck der Datensicherung verpflichtend?). In Schritt 2, der logisch womöglich gar nicht zu verhindern ist, könnten Mandanten und ggf. auch Dritte Einsicht in sämtliche übermittelten Nachrichten erhalten (womöglich sogar gerichtlich erzwingbar?). Damit können Mandanten deutlich leichter ihren Anwalt haftbar machen, es sei denn beispielsweise, aus der - als Summe aller Datenübertragungen nahezu vollständigen - Akte ergibt sich der Gegenbeweis, dass er alle rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und z.B. auch jeden Schriftsatz fristgerecht eingereicht hatte. Das heute implementierte beA könnte in so einem Fall Haftungsprozesse ganz erheblich erleichtern und eine Beweislastumkehr zu Gunsten aller Mandanten nach sich ziehen. Das wäre ein guter Service für den Bürger, den die Kammern damit auf gänzlich neue Art ermöglichen.

Fatal ist in diesem Zusammenhang jedoch ein zweiter Fehler des beA, durch den der Rechtsanwalt seinerseits meist nicht mehr in der Lage sein wird, den fristwahrenden Versand eines Schriftsatzes zu beweisen. Grund: Seit dem 1. April 2019 werden alle Nachrichten im beA gelöscht, die älter als 3 Monate sind. Der Anwalt wäre gezwungen, jede Nachricht (einzeln!) zu archivieren. Aber auch, wenn er dieser Pflicht nachgekommen ist, wird er keinen Beweis führen können, wann genau er die Nachricht tatsächlich verschickt hat, da die archivierte Nachricht keine Signatur enthält, eine Prüfung auf Echtheit also versagt. Einzelheiten hier.

Hinzu kommt ein dritter Fehler: Nachrichten mit Umlaut im Namen von Anhängen werden als angenommen quittiert, jedoch nicht an das Gericht weitergeleitet.

Da das Anlegen eines zentralen Durchgangspunktes und evtl. sogar einer Datensammlung "Geheimnisse aller Berufsgeheimnisträger Recht (Freie Berufe) Deutschlands" an zentraler Stelle mit der Schaffung eines Angriffsziels von höchstem Wert für alle Hacker, Kriminelle und Geheimdienste der ganzen Welt angesehen werden muss, könnte bereits das Aufsetzen eines derartigen Systems als grob fahrlässig anzusehen sein?

Es stellt sich die Frage, ob Rechtsanwälte, die das beA nutzen, das Anwaltsgeheimnis verletzen und gegen Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) und Art. 8 EMRK (Recht auf Privatsphäre) sowie Artikel 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta (GRC) verstoßen?

Auch seitens der Kammer könnten Treuepflichtverletzungen oder auch Verletzungen der Vermögensfürsorgepflicht gegenüber den Mitgliedern vorliegen. Welche Rechtsnatur hätte das neue Kontrollmöglichkeits-System? Als übliche Tätigkeit der Kammer, im Interesse der Anwaltschaft durchgeführt, wäre sie wohl nicht zu qualifizieren...

Kennen Sie den Newsletter Karriere-Jura?

Der kostenlose Newsletter Karriere-Jura bietet hilfreiche In­formationen über den Arbeits­markt für Juristen, Fort­bildungs­mög­lich­kei­ten, Tipps für Be­werbung und Vor­stellungs­ge­spräch sowie aktuelle Stellenangebote für Juristen und Rechtsreferendare.

Abonnieren