Entsteht gerade eine Zwickmühle für die Karriere als Jurist?

Wie wird eine Karriere als Jurist nach der aktuellen Krise eigentlich aussehen?

Auch wenn die Pandemie eingehegt wird und Sie gesund bleiben: Die Milliarden, die Deutschland und EU aufwenden, um die Wirtschaft wieder hochzufahren und Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden, wird die künftige Steuerlast massiv erhöhen. Besonders betroffen sind alle, die heute ihre Karriere beginnen: Die EU-Milliarden sollen erst in 40 Jahren zurückgeführt sein, begleiten sie also während des gesamten Berufslebens. Als potentielle Gutverdiener werden Sie damit rechnen müssen, entsprechend stark in Anspruch genommen zu werden. Das ist die eine Seite („woher kommt das Geld“).

Die andere: Überall werden Forderungen laut, mit der Vergabe dieser Mittel bestimmte Ziele besonders zu fördern. Neben der Nachhaltigkeit ist das erklärte Ziel, die Digitalisierung voranzutreiben. Auf Juristen bezogen, wäre das wohl am Ehesten die Förderung von „Legal-Tech“. Das ist aber nicht nur das digitale Dokumentenmanagement, Spracherkennung und digitale Workflows in der Kanzlei. All diese Dinge werden die Effizienz im Backoffice verbessern und massenhaft Arbeitsplätze von Rechtsanwalts­fachangestellten vernichten. Aber auch den Arbeitsplätzen von Juristen wird ein anderer Zweig der Digialisierung gefährlich: Die Einführung von sogenannter „Legal Tech“. Überall entstehen Internet-basierte Geschäftsmodelle, mit denen (teil-)automatisiert juristische Prozesse abgewickelt werden: Die massenhafte Bearbeitung der Durchsetzung von Fluggastrechten bei Verspätungen, Sanktionsabwehr bei Geschwindigkeitsübertretungen, Forderungsmanagement oder dergleichen.

Die Entwicklung ist absehbar: Juristische Abläufe, die relativ einfach und gleichzeitig strukturierbar, also automatisierungs­fähig sind, werden künftig durch Software abgewickelt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es zusätzlich möglich sein sollte, die Eingabe der dafür nötigen Daten durch den Mandanten online selbst vornehmen zu lassen. Wie endgültig diese Entwicklung hin zur „Selbstbedienung“ sein wird, sollten Sie einen Tankwart fragen. Sie kennen keinen? Eben. Das Beispiel ist Ihnen zu abseitig? Dann fragen Sie einen Steuerberater, ob die Erstellung von Einkommensteuer-Erklärungen noch zu seinen Hauptgeschäftsfeldern gehört, bzw. wie viele seiner (Ex-) Mandanten mit einer Software ihre Steuererklärung mittlerweile selbst erstellen?

Für Juristen klingt das alles nach einem handfesten Dilemma: Die Chancen zur Erzielung von Einkünften brechen weg, während gleichzeitig die steuerliche Belastung steigt. Da geht offensichtlich eine Schere zu. Was tun?

Für Ihre Karriereplanung leitet sich daraus eine einfache Empfehlung ab: Vermeiden Sie radikal alles, was auch nur entfernt nach repetitivem Massengeschäft geringer Komplexität aussieht.

Attraktiv sind entweder kleine Nischen, die eine Automatisierung nicht wirtschaftlich erscheinen lassen (machen Sie Ihr Hobby zum Beruf und spezialisieren Sie sich bspw. auf das Recht der Kunsthändler). Oder wählen Sie einen Bereich mit hoher Komplexität und/oder Mandaten großer individueller Unterschiede sowie hoher Gegenstandswerte: So berührt die Strukturierung von Nachlässen bei Unternehmerfamilien sowohl das Erbrecht, Gesellschaftsrecht, Familienrecht, Unterhaltsrecht, Stiftungsrecht, Steuerrecht etc.

Das automatisiert so schnell niemand.

Und was tun, wenn Ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und auf einen eher problematischen, weil automatisierungsfähigen Tätigkeitsschwerpunkt ausgerichtet wurde? Dann sollten Sie überlegen, ob Sie das Problem „umarmen“ können. Also als Jurist bspw. in einem Legal-Tech-Unternehmen bei der Gestaltung solcher Workflows mitzuwirken. Mit etwas Verständnis für IT und die (ergonomische) Abbildung juristischer Prozesse könnten Sie als Jurist eine Schnittstellen­funktion einnehmen und Kompetenzen erwerben, die Sie als „Product owner“ ein ganzes Berufsleben lang gewinnbringend vermarkten können. Die Entwicklung von Legal-Tech steht schließlich noch ganz am Anfang. Und die Finanzierung scheint ja offensichtlich gesichert zu sein (siehe oben).

Welchen Weg Sie auch einschlagen: Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

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