In Sachen Nachhaltigkeit: Die Energiewende mitgestalten
Interview mit Dr. Claire Dietz-Polte, Partnerin der Praxisgruppe Public Law von Baker McKenzie und Co-Leiterin der deutschen Energy & Infrastructure Industry Group, und Jakob Döring, Business Development Manager der Iberdrola Renovables Deutschland GmbH.
Frau Dr. Dietz-Polte, Herr Döring, die Begriffe Energiewende und Nachhaltigkeit sind derzeit in aller Munde. Inwieweit gestalten Sie in Ihrem Bereich selbst die Energiewende mit und gehen einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit?
Dr. Claire-Dietz Polte: Wir helfen unseren Mandanten aktiv, ihre individuelle „Energiewende“ zu gestalten und ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Besonders unterstützen wir sie beim Erwerb oder der Projektentwicklung von Erneuerbaren-Energien-Projekten, z.B. Wind, Solar, Wasserstoff, und Batteriespeichern. Außerdem beraten wir unsere Mandanten beim Erwerb strategisch wichtiger Unternehmen, etwa Betreiber und Anbieter von Ladeinfrastruktur, Anbieter von Energie Contracting Lösungen und Dienstleister im Bereich Energieeffizienz. Als Rechtsberater unterstützen wir also dabei, dass eine nachhaltige Unternehmenstransformation gelingt.
Jakob Döring: Iberdrola liefert Energie an fast 100 Millionen Menschen weltweit und investierte in den letzten beiden Jahrzehnten über 120 Milliarden Euro in die Energiewende. Mit einer installierten Leistung von mehr als 37 GW produzieren wir damit mehr Energie als z.B. Spanien und Belgien zusammengenommen benötigen. Bis 2030 haben wir uns zum Ziel gesetzt, in Europa CO2-neutral zu sein. Im Rahmen der Iberdrola Renovables leisten wir mit den von und durch Iberdrola umgesetzten Projekten einen wichtigen Beitrag hin zu einer echten Energiewende. Außerdem betreiben wir als langjähriger Investor unsere Projekte bis zum Ende ihrer technischen Laufzeit.
Wo liegt für Sie bei diesen Themen der besondere Reiz?
Dr. Claire-Dietz Polte: Der besondere Reiz liegt darin, dass sich Unternehmen in verschiedenen Stufen des nachhaltigen Unternehmensumbaus befinden und dem Thema Nachhaltigkeit mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung begegnen. Oft sind bei den Unternehmen neben der Rechtsabteilung gleich mehrere Abteilungen und unterschiedliche Ebenen involviert. Wir übernehmen deshalb nicht nur ganz klassisch die rechtliche Beratung, sondern helfen den Unternehmen regelmäßig bereits dabei, Projekte und neue Geschäftsmodelle aufzusetzen, um die Unternehmenstransformation voranzutreiben – genauso wie beim (weltweiten) Implementierungsmanagement.
Jakob Döring: Aus meiner Sicht müssen sich Unternehmen zum Ziel setzen, an einem Energiesystem der Zukunft aktiv mitzuwirken, um damit eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit – den Klimawandel – zu bekämpfen. Der besondere Reiz liegt für mich in der Vielseitigkeit der Themen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz zum Beispiel, das Herzstück der Energiewende, ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Zusätzlich gibt es viele weitere Gesetze und Regulierungen, die bei der Entwicklung und dem Betrieb von Erneuerbaren-Energien-Projekten beachtet werden müssen. Wenn ein Unternehmen in vielen verschiedenen Regionen und Märkten aktiv ist, ergeben sich immer irgendwo rechtliche Fallstricke. Da braucht es den Austausch mit einem Rechtsberater, um die idealen Lösungen zu finden.
Sie hatten erwähnt, dass Sie in den Bereichen Solar und Wind an Land zusammenarbeiten. Was sind hier die “Hot Topics”?
Dr. Claire-Dietz Polte: Ein “Hot Topic” im Rahmen der sich ständig ändernden Regulierung ist die Finanzierung neuer Erneuerbarer-Energien-Projekte. Dabei geht es zum einem darum, Projekte auf Basis des Förderrahmens umzusetzen, zum anderen um Projekte, die ohne spezielle Förderung umgesetzt werden sollen. Bei Letzteren spielen in Deutschland Corporate PPAs, also Stromlieferverträge zwischen dem Betreiber einer Erneuerbaren-Energien-Anlage und Unternehmen, eine immer größere Rolle. Corporate PPAs sind inzwischen ein wesentlicher Baustein in der Nachhaltigkeitsstrategie vieler Unternehmen. Ein weiterer Trend ist es, dass sich Unternehmen Projekte im Wind- und Solarbereich bereits in einem sehr frühen Projektstadium – regelmäßig in der Planungsphase – sichern. Unternehmen bzw. Investoren suchen händeringend nach Möglichkeiten, in Erneuerbare-Energien-Projekte zu investieren. Allerdings sind bestehende Projekte gerade in Deutschland rar und deshalb oft sehr teuer. So werden Projekte, z.B. über Exklusivitätsvereinbarungen, Beteiligungen an Projektgesellschaften oder gar Beteiligungen an Entwicklern selbst gesichert.
Jakob Döring: Während die Erfolgsgeschichte von Windenergieanlagen schon lange andauert, sind Solarprojekte erst seit wenigen Jahren wieder richtig im Kommen. Bei Windprojekten setzen wir uns prioritär damit auseinander, wie wir naturschutzrechtliche Vorschriften ideal umsetzen können. Für Solarprojekte erhalten wir eine Genehmigung auf der Grundlage von Bebauungsplänen, die teilweise regional unterschiedliche Standards, wie Schutzabstände enthalten. Weitere Fragen, die bei Wind- und Solarprojekten wiederkehrend auftreten, sind die korrekte Umsetzung des Netzanschlusses sowie Fragen rund um Pachtverträge.
Wie gehen Sie mit den damit einhergehenden Herausforderungen um?
Dr. Claire-Dietz Polte: Wir passen unsere Beratungspraxis ständig an sich verändernde Märkte und Bedürfnisse unserer Mandanten an. Dafür stehen wir in engem Austausch mit unseren Mandanten, ebenso mit Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland, um neue Entwicklungen früh zu erkennen und zu verfolgen. So profitieren wir in unseren deutschen Büros z.B. davon, dass Corporate PPAs in den USA oder Australien schon lange etabliert sind. Auch unsere UK-Kolleginnen und -Kollegen beraten bereits seit Jahren zu Corporate PPAs. Hier können wir auf ihre Erfahrung und Expertise zurückgreifen.
Jakob Döring: Bei der Due Diligence und der Entwicklung der Vertragsunterlagen beim Projektkauf setzen wir auf spezialisierte Kanzleien. Mit Baker McKenzie arbeiten wir vor allem zusammen, wenn es um allgemeine Fragen geht, die sich rund um unsere Projekte ergeben. Die größten Herausforderungen entstehen durch die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen, die durch neue Gesetze und Urteile beeinflusst werden. Dies führt dazu, dass wir zusammen mit unserem Rechtsberater bestimmte Fragen, z.B. des Förderrahmens, immer wieder neu bewerten müssen.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit konkret aus?
Dr. Claire-Dietz Polte: Im Rahmen des weiteren Ausbaus des Erneuerbaren-Energien-Geschäfts von Iberdrola ergeben sich vielfältige rechtliche Fragen, besonders in der sehr frühen Entwicklungsphase von Projekten, z.B. zur Grundstückssicherung sowie zum Planungs- und Genehmigungsrecht. Hier unterstützen wir dabei, Fragen zu beantworten, Projektrisiken zu bewerten und Lösungswege zu formulieren. Außerdem sind wir darin involviert, Projektverträge zu gestalten.
Jakob Döring: Oft ergeben sich Fragen, wenn wir potenzielle Projekte analysieren. Können wir diese nicht direkt mit unserer eigenen Rechtsabteilung in Madrid lösen, wenden wir uns mit einer gemeinsam formulierten Frage an das Energy & Infrastructure Team um Claire Dietz-Polte. Wir wünschen uns dann eine regional gültige Antwort, um den Fall weiter bewerten zu können.
Frau Dr. Dietz-Polte, was braucht es aus Ihrer Sicht, um in Ihrem Bereich einen guten Rechtsrat zu erteilen?
Dr. Claire-Dietz Polte: Zum einen braucht es ein tiefes Branchenverständnis. Nur so kann man als Berater pragmatisch und zielgerichtet zu den Projekten und Geschäftsmodellen der Mandanten beraten. Zudem sind ein guter Überblick und viel Detailwissen zu unterschiedlichen regulatorischen Fragen nötig, die mit den Energiewendeprojekten einhergehen können. Regelmäßig beraten wir Mandanten zu Projekten, die nicht nur in Deutschland, sondern weltweit implementiert werden sollen. Hier hilft es sehr, dass unsere Kanzlei weltweit über 77 Büros in 46 Ländern und ein sehr gutes Netz von Partnerkanzleien verfügt. So hat man Ansprechpartner mit Industry Know-how und rechtlicher Expertise vor Ort.
Herr Döring, wo liegen aus Ihrer Sicht die Herausforderungen an Ihren Rechtsberater und was erwarten Sie von ihm?
Jakob Döring: Das Energierecht hat eine hohe Komplexität und unterliegt einem ständigen Wandel. Die neue Bundesregierung wird dazu beitragen, dass sich vieles in dem Bereich auch nochmal ändern und beschleunigen wird. Für unseren Konzern bedeuten diese Veränderungen Chancen, gleichzeitig auch viele offene Flanken bei den Detailfragen. Während wir bei projektumfassenden Themen auf verschiedene Kanzleien setzen, benötigen wir für die vielen allgemeineren Fragen einen Rechtsberater, der uns versteht und Antworten so formulieren kann, dass wir sie verstehen. Oft reicht uns einfach eine gute E-Mail oder eine kurze Fragerunde, um gemeinsam wieder ein Thema zu lösen.
Frau Dr. Dietz-Polte, Herr Döring, vielen Dank für dieses Gespräch.
Dr. Claire Dietz-Polte LL.M. ist Partnerin der Praxisgruppe Public Law im Berliner Büro von Baker McKenzie und Co-Leiterin der deutschen Energy & Infrastructure Industry Group. Sie berät in- und ausländische Unternehmen, Sponsoren, Banken und Finanzinvestoren bei M&A, Joint Ventures, Projekten und damit verbundene Finanzierungen im Energie- und Infrastrukturbereich.
Jakob Döring arbeitet seit 2020 für Iberdrola Renovables Deutschland GmbH in Berlin als Business Development Manager. Das Unternehmen ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Iberdrola und entwickelt gemeinsam mit regionalen Partnern Wind- und Solarprojekte.
Copyright:
Artikel: Baker McKenzie & Karriere-Jura.de, Dr. von Göler Verlagsges. mbH, 2022
Bild 'Photovoltaik': Gregory Roose via Pixabay (electricity g49f438ea1)
Bild 'Windräder': S. Hermann und F. Richter via Pixabay (sunset g5cc76f608_640)