Mandantengespräche richtig führen
von Dr. Tobias Höfling
Dr. Tobias Höfling, Associate der Praxisgruppe Dispute Resolution bei Baker McKenzie
Der Anwalt empfängt seinen Mandanten in einem tiefen Ledersessel an einem ausladenden Tisch aus Edelhölzern. Ein paar knackige Fragen, einen schnellen Griff zu den Gesetztestexten, die auf dem Designer-Regal im roten Einband stehen und auf dem Fuße folgt eine kurze Belehrung über die relevanten Rechtsprobleme. Schon verabschiedet der Anwalt seinen Mandanten mit der fertigen Lösung des Falles.
Mandantengespräche, wie diese aus einer Anwaltsserie, laufen selten so ab. Sie sind harte Arbeit und das tägliche Brot des Anwalts. Sie entscheiden schlussendlich über den Erfolg der beruflichen Tätigkeit. Schließlich gilt es beispielsweise im ersten Mandantengespräch, den Auftrag überhaupt erst zu erhalten.
Aus der Masse herausstechen und das Mandat gewinnen
Als Anwalt einer Großkanzlei kommt man selten in den Genuss, dass der Mandant überraschend mit einem neuen, millionenschweren Mandat auf der Türschwelle steht. Der Mandatsakquise in Großkanzleien geht heute meist ein Bewerbungsverfahren voraus, ein so genannter Pitch, also ein Verkaufsgespräch. Der Mandant erwartet im ersten Treffen einen Überschlag über die Kosten. Gleichermaßen geht es darum, dem Mandanten zu zeigen, dass man sich bereits auf den Fall intensiv vorbereitet, die Fallunterlagen sorgfältig studiert und analysiert hat. Es ist sinnvoll zu zeigen, dass man den Überblick auch in einem komplexen Verfahren behalten kann. Juristische Fähigkeiten sind bei der Erstellung der Pitchunterlage wichtig, aber oft nicht das Zünglein an der Waage. Daher sollte man auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten wichtig nehmen. Man kann einen guten inhaltlichen Eindruck schnell verspielen, wenn die Unterlage Rechtschreibfehler enthält oder unprofessionell gestaltet ist, getreu dem Motto “You never get a second chance for a good first impression”. Mandanten werden oft den Schluss ziehen: Wer bei Äußerlichkeiten schludrig arbeitet, wird auch inhaltlich mit demselben Elan an die Arbeit gehen.
Jedes einzelne Folgegespräch vorbereiten
Wenn das Mandat gewonnen ist, fängt die wesentliche Arbeit an. Der Mandant wird schnell merken, ob der Anwalt in der Sache vorbereitet ist oder ihn mit spontanen Ideen zu überzeugen versucht. Denn insbesondere, wenn der Mandant ein größeres Wirtschaftsunternehmen ist, sitzen auch auf Mandantenseite oft Syndikusanwälte. Für beide Seiten ist es hilfreich, vorab die Struktur des Gesprächs als Agenda zu übermitteln. Das hilft dem Mandanten, sich auf dieses vorzubereiten. Er weiß, welche Dokumente er mitbringen muss oder welche Wissensträger aus dem Unternehmen er für das Gespräch hinzuziehen soll. Zudem hilft die Agenda auch dem Anwalt selbst, sich zu strukturieren und die Zeitplanung während des Gesprächs im Blick zu halten.
Das Gespräch strukturiert halten
Die Aufgabe des Anwaltes ist es, das Gespräch sinnvoll zu strukturieren. Denn auch wenn bereits im Vorfeld des Pitches erste Informationen zum Sachverhalt geliefert wurden, beginnt die Bearbeitung des Sachverhalts erst, sobald das Mandat erteilt ist. Dinge, die oft schon Jahre zurückliegen, müssen aufgearbeitet und für die rechtliche Analyse vorbereitet werden. Regelmäßig wird es sich anbieten, zunächst damit zu beginnen, den Fall chronologisch zu schildern. Danach ist idealerweise nach den relevanten Tatbestandsmerkmalen das weitere Gespräch zu strukturieren und Schritt für Schritt den Sachverhalt in dieser Struktur weiter zu beleuchten.
Erwartungen managen und auf Risiken hinweisen
Natürlich tut jeder Anwalt alles, um für seinen Mandanten das Beste aus dem Fall herauszuholen. Allerdings ist der Anwalt auch in der Niederlage seinem Mandanten verpflichtet. Ein guter Anwalt wird daher einen wenig erfolgversprechenden Prozess im Zweifel nicht empfehlen oder aber deutlich auf das Risiko einer Niederlage hinweisen. Es ist schwierig, die Erfolgschancen eines Falles in Heller und Pfennig auszudrücken. Beschreibungen wie „Es ist überwiegend wahrscheinlich“, „Es steht dem ein erhebliches Risiko entgegen“ oder „Die Chancen überwiegen die Risiken“ sind jedoch zu vermeiden. Solche Einschätzungen lassen einen denkbar großen Interpretationsspielraum und helfen dem Mandanten wenig. Um die relevanten Sach- und Rechtsfragen abzubilden, bietet sich ein Entscheidungsbaum an. Mit dessen Hilfe kann man eine detaillierte Prozessrisikoanalyse erstellen, an deren Ende ein konkreter Prozentwert die Chancen des Falles beschreibt.
Mandanten wissen es zu schätzen, wenn statt der bekannten Floskeln das Risiko beispielsweise mit exakt 67 Prozent beziffert wird. Auch für den Anwalt selbst ist eine solche mathematische Annäherung an die Chancen und Risiken des Falles hilfreich. Denn je länger man sich mit seinen eigenen Argumenten beschäftigt, umso eher neigt man dazu, diese Argumente zu überschätzen und die Argumente der Gegenseite als nicht überzeugend abzutun. Dies ist ein trügerisches, psychologisches Phänomen, dem man mit einer detaillierteren Risikoanalyse erfolgreich begegnen kann.
Interessen des Mandanten erforschen
Erstes Ziel eines Mandatsgesprächs muss es sein, die wahren Beweggründe des Mandanten zu erfahren. Nur dann kann der Anwalt die Interessen und Ziele des Mandanten bestmöglich verfolgen. In manchen Fällen mag es sinnvoll sein, ein kostspieliges Verfahren trotz geringer Erfolgschancen weiter zu betreiben, zum Beispiel, um künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden, nachdem der Streit erstmalig gerichtlich geklärt wurde. Es mag aber auch umgekehrt angezeigt sein, erfolgversprechende Positionen gerichtlich nicht weiter zu verfolgen, um beispielsweise eine zukunftsträchtige Geschäftsbeziehung des Mandanten mit dem Gegenpart nicht zu gefährden.
Mandanten in Fallbearbeitung einbinden
Die Motive, die der Mandant verfolgt, erfährt man als Anwalt am besten, wenn man den Mandanten stark in die Fallbearbeitung einbindet. Das ist wichtig für den Erfolg, denn keiner kennt den Fall besser als der Mandant selbst. In dem Gespräch sollten Anwalt und Mandant gemeinsam definieren, welche Aufgaben zur weiteren Mandatsbearbeitung der Mandant selbst erledigt, zum Beispiel kann der Mandant relevante Unterlagen heraussuchen oder hilfreiche Zeitzeugen identifizieren.
Sprache des Mandanten sprechen
Jura ist eine Fremdsprache – so kommt es zumindest sicherlich vielen Nichtjuristen vor. Fachtermini sollte der Anwalt daher im Gespräch mit dem Mandanten wohl dosiert verwenden, Aussagen oder Sachverhalte nicht verkomplizieren. Wichtig ist es, den Mandanten immer wieder zu fragen, ob er ihn verstanden hat. Juristisch komplexe Gedankengänge sollten vereinfacht werden. Umgekehrt muss sich der Anwalt auch selbst einlassen auf fallspezifisches Fachwissen, damit er seinem Mandanten auf Augenhöhe begegnen kann. Auch der Anwalt sollte sich daher nicht davor scheuen, im Zweifel nachzufragen. Das schafft eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre für beide Seiten.
Neben all den Tipps ist es wichtig, sich im Umgang mit dem Mandanten auf sein eigenes Gefühl zu verlassen. Man sollte es nicht mit der Optimierung übertreiben und jeden pauschalen Ratgeber hinterfragen.
Eines sollte einem als Anwalt allerdings stets bewusst sein: die Bedeutung des Mandanten. Er braucht professionellen juristischen Rat in einer für ihn wichtigen Situation. Ohne Mandant gäbe es keine Kanzlei, keine Existenzgrundlage für Rechtsanwälte und Mitarbeiter. Der Mandant ist König und so sollte der Anwalt ihn auch behandeln.
Unser Autor
Dr. Tobias Höfling, Associate der Praxisgruppe Dispute Resolution bei Baker McKenzie in Frankfurt, beschäftigt sich überwiegend mit Schiedsverfahren und Gerichtsprozessen.
Über Baker McKenzie:
Seit ihrer Gründung 1949 berät die internationale Anwaltskanzlei Baker McKenzie viele der erfolgreichsten Unternehmen auf der ganzen Welt. Mit mehr als 13.000 Mitarbeitern an 77 Standorten und einem globalen Umsatz von über 2,6 Milliarden US-Dollar ist Baker McKenzie eine der größten und leistungsstärksten Kanzleien der Welt. Baker McKenzie ist bekannt für ihr über Jahrzehnte gewachsenes globales Netzwerk, ihr fundiertes Verständnis der lokalen Märkte im internationalen Kontext, ihr Bekenntnis zu höchster Qualität und ihre beständige Ausrichtung nach den Anforderungen der Mandanten.
In Deutschland vertreten rund 200 Anwälte mit ausgewiesener fachlicher Expertise und internationaler Erfahrung die Interessen ihrer Mandanten an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München. Als eine der führenden deutschen Anwaltskanzleien berät Baker McKenzie nationale und internationale Unternehmen und Institutionen auf allen Gebieten des Wirtschaftsrechts.
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