STAB / STABSSTELLE

vs. Linie bzw. operative Einheiten

Wer mit hohen Herren verhandelt, muss - zuweilen mit deren Vertretung vorlieb nehmen. „Herr/Frau Soundso leitet in dieser Angelegenheit unsere Stabsabteilung und steckt im Thema drin. Bitte….“. Es ist aber so, dass die Stabsstellen schon lange nicht mehr das sind, was sie früher mal sein wollten. Der vorliegende Fall weist sogar auf einen schweren Fehler in der Organisation hin: Die Leitung einer Stabsabteilung ist unteilbar. Wenn jemand „in dieser Angelegenheit“ die Abteilung leitet, kann sie nicht von jemand anderem in einer anderen „Angelegenheit“ geleitet werden. Auch ist es kein Vorteil, wenn der Abteilungs-Angelegenheits-Leiter „im Thema steckt“. Falls wirklich erforderlich, spräche ja nichts dagegen, bei Bedarf mehrere Stabsabteilungen unter jeweils eigener Leitung zu etablieren.






Organisation wird heute kaum mehr systematisch gelehrt. Stellenbeschreibungen aus der Feder ausdrücklich so genannter Organisationsberater verraten kaum jemals, ob da ein Stabhalter gesucht wird oder nur Schalterpersonal, dem jemand seinen Stab zur Aufbewahrung abgeben könnte. Es gibt heute ohnehin nur wenige Positionen, in denen der Stab zur obersten Leitung gehört oder nur nach Bedarf als Arbeitsmittel dient. Google deutet übrigens überraschend an, eine Stabsfunktion habe gewisse Ähnlichkeiten mit der künstlichen Intelligenz, sodass diese der Funktion „Stab (Team)“ nahekomme.  








Diese Schreibweise sollte wohl nahelegen, Stab und Team seien irgendwie als Synonyme zu verstehen. Tatsächlich haben sie jedoch nichts miteinander zu tun. Team ist ein ursprünglich germanisches Wort für das Ochsenjoch. Mit dem wurden zwei oder mehr Paarhufer dazu gebracht, vor dem Pflug oder der Wagenlast brav nebeneinander zu ziehen. So ein Joch war unverzichtbar, da sich Paarhufer nur ungern nebeneinander und viel lieber hintereinander bewegten. Ein Google-Autor hätte das wissen können, wenn er seine Oxford-Lexikalia genutzt hätte. So aber legte er eine Fährte zu der Beobachtung, dass einführende heutige Lehrwerke der Betriebswirtschaft mit Stab und Team gern synonym hantieren. Viele der jüngeren Lehrbuchautoren schöpfen also offensichtlich aus der gleichen, der Google-Quelle. Die Redaktionslogik der Internet-Lexika folgt dann später dem vermeintlich sicheren Weg, den Lehrbuchautoren. Dabei kommt es zwangsläufig zu Kollisionen, da diese ja nicht allein aus der Sprache betriebswirtschaftlicher Praxis schöpfen, sondern auch aus dem allgemein üblichen Managementtrainer-Sprech. So kommt es, dass sich Stab und Team auf den Lehrbuchseiten verheddern können. Dann ist es vielleicht doch hilfreich, dass einige Gelehrte mutig entschlossen auf das Militärische zugreifen, also auf die militärisch benötigten strategischen, logistischen und sonstigen Nebenleistungen. Die setzen sie dann in lockeren Bezug zu dem Marschallstab – dem angeblichen Symbol der Befehlshoheit des Heerführers. Leider benennen die keineswegs unbedeutenden Lehrbuchautoren keine prüfbaren Herkunftsquellen für ihre militärischen Deutungen, denen leicht zu widersprechen wäre. 






So wird zwar in fast allen Lehrbüchern stets erwähnt, der Stab habe keinerlei Weisungsbefugnis bzw. Befehlsgewalt. Andererseits soll aber ausgerechnet das Symbol militärischer Vollmachten, der Marschall“stab“, die angeblich machtlose Position charakterisieren. Das spricht leider nur für die erstaunliche Beliebigkeit der betriebswirtschaftlichen Terminologie.



Tatsächlich könnte sich diese lexikalische Angelegenheit in etwa so zugetragen haben: Wikipedia entnimmt Angaben zum Stichwort „STAB“ vorzugsweise der klassischen BWL-Literatur. Deren lebensältere Autoren hatten aus den militärischen, wohlbekannten Quellen vergangener Regimes geschöpft, die den Militärkörper unter anderem hier in eine (Gefechts-)LINIE und dort in einen (Wissens-)STAB teilen. Die im STAB aufgestellten Experten, sollen der Frontlinie nur ja nicht dreinreden, müssen also selber aus Weisungsbefugnisse gegenüber der Front verzichten. Der STAB ist deswegen ausnahmslos der Entscheidungsbefugnis der „Linie“ unterstellt. Dank seiner umfassenden (Detail-)Kenntnisse kann der Stab zwar die Entscheidungen der übergeordneten Linie vorbestimmen – rätselhafter Weise jedoch stets ohne Einwirkung auf diese. Man ahnt also: das Prinzip „Eiertanz“ kann über Sieg oder Untergang entscheiden. Bei gleichen Kräften (Zerstörungspotenzialen) ist das Ergebnis die Folge irrationaler Logismen und damit eigentlich nicht mehr vorhersehbar. Hier liegt wohl der Ursprung des militärischen Glaubens an die Möglichkeit des eigenen Siegs.  

Leider führt die Linie-/Stab-Teilung in Wirtschaftsbetrieben zu erheblichen Reibungen und Verzögerungen in den Abläufen. Die nach 1945 untergegangene Organisationslehre war aus der BWL-Perspektive nicht zu restrukturieren – mangels Praxisbezug (Erfahrung) und Begabung. Manche Militärhistoriker halten die gewohnte Teilung von Stab und Linie für die eigentliche Ursache todesmutiger militärischer Entscheidungen. 

Unser Autor





Georg M. Sieber, Jahr­gang 1935, ist Diplom­psycho­loge in München. 1964 gründete er sein Institut für An­ge­wandte Psycho­logie, die Intelligenz System Trans­fer GmbH (11 Niederlassungen). Sein per­sön­liches Inte­res­sen­gebiet sind die Schrif­ten his­tor­ischer Vor­läufer der heu­ti­gen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Ínigo López de Loyola u.a.

Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung: 089 / 16 88 011 oder per eMail:

Georg.Sieber [at] IST-Muenchen.de

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